Mit stolz geschwellter Brust lege ich meine Hand lässig auf die Schreibtischplatte. Das Hemd gleitet hoch, entblößt meine neueste Errungenschaft und der erste Kommentar meines Kollegen lässt nicht lange auf sich warten. Unglücklicherweise fällt er nicht so aus, wie erwartet: „Was ist denn das für ein Bröckerl?“
4 Wochen im Test – Zeit für ein Fazit!
Leider hat mein Kollege nicht Unrecht. Nur ein Kenner weiß, was sich unter dieser 2043mm² großen Oberfläche aus Saphirglas und Edelstahl verbirgt. Nämlich die ultimative GPS-Multisport-Smartwatch! Zumindest, wenn man Garmin Glauben schenken darf.

Ich bin nun seit vier Wochen im Besitz der Garmin Fenix 5X und verwende sie täglich. Ob sie sich bewährt hat und wie mein Fazit ausfällt, erfährst du heute.
Optik und Tragekomfort
Wie ein Smartphone am Handgelenk, so fühlt sich die Uhr anfänglich an. An das Gewicht von 98g und die Dimensionen (51x51x17,5) gewöhnt man sich allerdings überraschend schnell. Allerdings bietet Garmin noch zusätzliche Ausstattungsvarianten an. Dank QuickFit-Funktion lässt sich nämlich schnell das herkömmliche Silikonarmband gegen ein Metallarmband (+100g) tauschen.

Für Sportler ergibt diese Kombination allerdings nur in den seltensten Fällen Sinn. Zum Beispiel beim Besuch der Oper. Vorausgesetzt man hat die passenden Manschettenknöpfe im Hemd. Darunter verschwinden wird die Uhr in der Regel nicht. Durch die gute Verarbeitungsqualität und den abgerundeten Kanten an der Rückseite lässt sich das Gerät angenehm tragen.

Der Plussensor steht ein wenig ab, dies stört aber keineswegs. Die Lünette zeigt sich durch die dunkle, matte Metalloberfläche unauffällig für Fingerabdrücke, ist aber empfindlich gegenüber Kratzern. Der blanke Edelstahl glänzt dann silbern durch.
Allgemeines
Das MIP-Display löst mit 240×240 Pixeln auf – kein Spitzenwert, aber es ist stromsparend und bei Sonneneinstrahlung gut ablesbar. Das ist mir wichtig, denn die Uhr soll mich vor allem draußen begleiten. Die fünf Tasten an den Seiten haben einen sehr angenehmen Druckpunkt und fühlen sich sehr wertig an. Die Bedienung der logisch aufgebauten Menüs klappt nach einer kurzen Eingewöhnungsphase sehr gut.
Tipp: Hotkeys bieten dir die Möglichkeit, die Uhr speziell auf deine Bedürfnisse auszurichten. Sie sind quasi wie Kurzwahltasten am Handy und frei konfigurierbar. Ein langer Druck auf eine der Tasten genügt und der mühsame Weg durchs Menü entfällt. Zu finden unter: Einstellungen -> System -> Hotkeys.
Sehr positiv ist mir die Batterielaufzeit aufgefallen. Mit einer Batterieladung komme ich durch die gesamte Woche. Die täglichen Sportaufzeichnungen fressen durch das GPS-Tracking den Akku, dafür braucht der Smart-Modus erfreulich wenig Strom. Und das, obwohl jede Sekunde auch der Puls gemessen wird. Für mich ein absoluter Mehrwert. Ein Blick auf die durchschnittliche Ruhe-Herz-Frequenz sagt mir gleich, ob der Körper das vorangegangene Training schon verarbeitet hat.

Neben den üblichen Funktionen einer Uhr (Datum, Wecker, Timer, Stoppuhr,…) sind die Smart-Features erwähnenswert. Kurz den Kalender checken, bzw. eine Nachricht am Handgelenk lesen klappt ausgesprochen gut. Niemand kauft sich die Fenix 5X nur aufgrund ihrer Smart-Features, aber ich möchte sie nicht mehr missen. Aber: Ihre wahre Stärke spielt die Uhr in einem ganz anderen Bereich aus: bei den Trainings-, Planungs- und Analysefunktionen.
Trainingslabor am Handgelenk
Garmin Connect – die herstelleigene Sport-Cloud – steht im Zentrum aller Aktivitäten. Nach einer Sporteinheit verknüpft sich die Uhr automatisch per WLAN mit dem Heimnetzwerk oder per Bluetooth mit dem Handy. Bei mir klappt die Verbindung zum Handy leider nur unzureichend. In ca. 50% der Fälle muss ich den Suchlauf nach der Garmin-Uhr manuell starten.

Erst dann wird die Verbindung korrekt hergestellt. Ob es an meinem Handy oder der Uhr liegt, kann ich nicht zweifelsfrei sagen, nervig ist es aber allemal. Ist die Verbindung jedoch intakt, werden alle gesammelten Daten (z.B. das morgendliche Lauftraining, die Radeinheit am Ergometer, die täglichen Schritte, usw.) einwandfrei hochgeladen. Mittels Handy-App oder PC können diese Daten direkt im Anschluss ausgewertet werden.
Update: Mit der neuen Garmin App, die kurz vor Realease des Test erschienen ist, funktioniert das Verbinden über Bluetooth zum Handy sehr gut. Der Fehler sollte behoben sein.
Leistungswerte plötzlich im freien Fall?
Übersichtlich und motivierend werden einem unzählige Diagramme und Tabellen präsentiert. Dies kann bei der Trainingsgestaltung helfen. Übermotiviert startete ich mit der Uhr ein Aufbautraining. Über Garmin Connect stehen dafür unterschiedliche Trainingspläne zur Verfügung. Übermotiviert vielleicht deshalb, weil mein VO2max-Wert nach zwei Wochen in den Keller sank. Nach einer Woche Regenerationspause ging es wieder aufwärts.

Das quittierte auch die Garmin Fenix 5X mit einer aufmunternden Nachricht: „Leistungsfähigkeit +6!“. Nach jeder Einheit wird der erwartete Trainings-Effekt auf die aerobe bzw. anaerobe Ausdauer berechnet; ebenso wie die nötige Erholungszeit. Wie genau diese Aussagen wirklich sind, ist für mich schwer zu sagen. Dennoch liefern sie mir wichtige Anhaltspunkte bei meiner Trainingsgestaltung.
Gute Nacht, Garmin
Erholung ist neben dem Training ein weiterer entscheidender Faktor im Sport. Kann der Körper nicht ausreichend regenerieren, stagniert die Leistung oder wird im schlimmsten Fall sogar schlechter. Wer ausreichend regenerieren möchte, muss auch ausreichend viel schlafen. Über die Qualität deines Schlafs kann dir die Garmin Fenix 5X Auskunft geben. Wer sich nicht daran stört, mit einer Uhr ins Bett zu gehen, kann diese auch bei Nacht nutzen. Sie registriert deine Tiefschlafphasen.

An Tagen mit insgesamt 7 h Schlaf und mehr als 2,5 h davon im Tiefschlaf, fühle ich mich fitter als an Tagen mit 8 h Schlaf und nur 1,5 h Tiefschlaf. Was vorher nur ein Eindruck war, lässt sich jetzt in Zahlen ausdrücken. Das führt mich zu dem Gedanken: Kann ich durch meine Gewohnheiten „gute“ Nächte reproduzieren? Warum schlafe ich an einem Tag besser? Vielleicht ein naiver Zugang, aber mal sehen, was ich in den nächsten Wochen feststellen kann.
Big Brother
Je mehr Daten aufgezeichnet werden, desto genauer weiß ich, aber auch Garmin, über meinen Trainingszustand, meine Schlafgewohnheiten, meinen Tagesrhythmus, meinen Aufenthaltsort, usw. Bescheid. Ein Unternehmen wie Garmin reibt sich dabei die Hände, Stichwort: Big Data. Es besteht zwar die Möglichkeit, meine aufgezeichneten Trainingseinheiten auf der Homepage des Herstellers herunterzuladen – aber von der Garmin Cloud, kann ich die Daten nicht fernhalten. Schon ein wenig beängstigend, wenn man genauer darüber nachdenkt. Erste Kooperationen mit Versicherungsanbietern zeigen möglicherweise wohin uns die Zukunft führt.
Im Training
Aufzeichnen von Lauf- und Radtrainings klappt mit der Garmin stets problemlos. Das GPS-Signal findet die Uhr sehr schnell. Danach kann man auch schon loslegen. Während der Aufzeichnung hat man Zugriff auf nötige Informationen, wie Pace, Geschwindigkeit, Puls, und Vieles mehr. Wie diese präsentiert werden, legt man selbst fest. So hat man immer auf einem Blick das was man sich wünscht.

Top ist die Auto-Pause-Funktion. Diese ist aber nicht von Haus aus aktiviert. Damit wird wirklich nur getrackt, was auch trainingsrelevant ist. Wartezeiten an der Ampel scheinen somit nicht in der Aufzeichnung auf. Vorm Start prüfe ich immer den Akkustand. Aufgrund der langen Batterielaufzeit kann es nämlich schon mal vorkommen, dass man einfach aufs Laden vergisst. Besonders ärgerlich ist das, wenn eine halbtägige Radtour ansteht und dann bei der Hälfte der Strecke der Akku leer ist. Diese Fehler passieren aber nur einmal 😉

Die Funktion „Krafttraining“ ist nicht sehr ausgereift. Dabei sollen die Wiederholungen, die verbrauchten Kalorien, die benötigte Zeit für ein Set und der Puls protokolliert werden. Letzter ist dagegen immer falsch. Offensichtlich, denn bei einem HIIT-Workout liegt mein Puls bestimmt nicht bei 85 Schlägen pro Minute, eher beim Doppelten. Beende ich die Aufzeichnung, stimmt der Puls plötzlich wieder; hier dürfte ein Bug in der Software vorliegen.
Viel hilft Viel
Als würden die in der Uhr verbauten Sensoren (Barometer, Pulsmesser, Beschleunigungssensoren, usw.) nicht schon genug Daten liefern, können über ANT+ jede Menge weitere Gerätschaften gekoppelt werden. An meinem Rad sind beispielsweise der Garmin Geschwindigkeits- und Trittfrequenzsensor montiert. Der Verbindungsaufbau zu den externen Sensoren klappte bis jetzt immer problemlos und schnell. Die Befestigung ist sehr einfach und es bedarf keiner Kalibrierung. Der Raddurchmesser wird in Verbindung mit der Uhr bei der ersten Ausfahrt selbstständig ermittelt.

Der Garmin HRM-Tri ist ein speziell für den Triathlon entwickelter Brustgurt. Der eingebaute Herzfrequenzmesser der Uhr reagiert im Vergleich zum Brustgurt (logischerweise) zeitverzögert. Beide liefern bei mir sehr gute Messwerte. Zusätzlich ermöglicht der Brustgurt die Herzfrequenzmessung unter Wasser. Live mitverfolgen kann man den Puls unter Wasser nicht, weil, technisch gesehen, keine Verbindung zur Uhr hergestellt werden kann.
Der (Triathlon-)Brustgurt speichert den Puls während des Schwimmens und überträgt die Daten auf die Uhr, sobald sich Uhr und Brustgurt wieder Überwasser befinden.
Aber Vorsicht: Laut Garmin soll der HRM-Tri Brustgurt nur in Ausnahmefällen im Chlorwasser verwendet werden! Dies kann zu Schäden am Brustgurt führen. Es mag einen Grund dafür geben, das Garmin diese Warnung gibt, aber hier sollte der Hersteller nachbessern.

Beim Laufen unterstützt ein eingebauter Beschleunigungssensor im Brustgurt die Fenix 5X. Die Bodenkontaktzeit, Schrittfrequenz, Schrittlänge, Vertikale Bewegung in [cm] und vieles mehr sind damit zusätzlich bestimmbar – „Laufeffizienzwerte“ wird das bei Garmin genannt. Die eigene Leistung wird dabei in Relation zu „Anderen“ gesetzt. Optisch wird das durch unterschiedliche Farben angezeigt; von Rot (schlecht) bis Lila (Spitze). Hilfreich sind die zusätzlichen Erklärungen – damit weiß ich, wo es sich zu verbessern gilt.
Viel kostet auch Viel
Alle erwähnten Features bieten auch wesentlich günstigere GPS-Uhren. Ein Alleinstellungsmerkmal muss her, wird sich Garmin gedacht haben, und hat kurzerhand 16GB internen Speicher für Offline-Kartenmaterial verbaut. Wie lässt sich sonst ein UVP von 750 Euro für eine GPS-Multisport-Smartwatch rechtfertigen? Aktuell ist die Uhr ab 628 Euro zu haben (günstigster Preis lt. Geizhals vom 07.11.2017). Der Preis ist ein gewichtiger Nachteil dieser Uhr, denn enthalten sind noch keine zusätzlichen (externen) Sensoren.

Diese schlagen nochmals mit etwa 50 Euro für den Garmin Geschwindigkeits- und Trittfrequenzsensor° bzw. rund 100 Euro für den Garmin HRM-Tri Brustgurt° zu Buche. Und wie in meinem Fall: eine passende Fahrradhalterung° von Garmin – nochmal 10 Euro. Kann auf das Alleinstellungsmerkmal dieser Uhr, die Offline-Navigation, verzichtet werden, ist das kleinere Modell die Garmin Fenix 5° einen Blick wert.
Kartennavigation – auch offline
Für mich der entscheidende Kaufgrund für die Garmin Fenix 5X: Die Kartennavigation. Die auf der Uhr gespeicherten Karten ermöglichen, die Navigation über Stadt und Land. Besonders hilfreich ist das an Orten, wo kein Handyempfang herrscht, beispielsweise im Urlaub. Die Eingabe einer Adresse ist leider nicht vorgesehen.
Navigieren lässt sich:
- zu einem Punkt mit bekannten Koordinaten. Diese können direkt eingeben oder in den Favoriten abgelegt werden; die Favoriten lassen sich später bequemer laden. Per MOB (Mann-über-Bord-Position) wird eine Stelle markiert, an der man sich gerade befindet. Später lässt sich automatisch dorthin zurück navigieren. Praktisch um sein Auto wiederzufinden.
- zu einem Objekt in der Ferne. Die Funktion heißt „Peilen-und-los“. Dabei wird auf eine Objekt in der Ferne gezeigt, beispielsweise ein Kirchturm. Die Uhr speichert die Richtung und navigiert zu dem Objekt.

- zu einem Punkt von Interesse. Die POIs werden mit den Kartendaten geliefert und enthalten Kategorien wie: Restaurants, Tankstellen, Unterkünfte, Sehenswertes, Verkehrsmittel, öffentliche Einrichtungen, usw.
- zu einem Punkt auf der Karte. Dafür zentriert man die Karte auf das Ziel – und los gehts. Die Bedienung ist hierbei fummelig, weil zwischen vertikaler, horizontaler oder zoomen gewechselt werden muss.
- oder entlang eines Pfades. Erstellt werden die Routen am PC z.B. mit bikemap oder einem ähnlichen Tool. Per gpx-Datei landet die Route auf der Uhr.
Insgesamt klappt im Testzeitraum die Navigation mit der Uhr gut. Manchmal bin ich mit gewählten Routen nicht einverstanden, vor allem beim Rennradfahren. Bei einer Ausfahrt kommt es schon mal vor das man sich auf einem Radweg wiederfindet, der einer Mountainbikestrecke gleicht. Die Anzeigen, wann und wo abzubiegen ist, kommen rechtzeitig und verständlich. Im harten Geländeeinsatz habe ich die Garmin noch nicht testen können.
Garmin Connect IQ – der App Store
Lange habe ich darüber nachgedacht, ob ich diesem App-Store überhaupt ein eigenes Kapitel widmen soll. Wie du siehst, hat er Eines bekommen. Verdient hätte er es jedoch nicht. Obwohl es diesen Store bereits seit einigen Jahren gibt, entwickelt er sich nur langsam. Ehrlicherweise muss man wohl sagen, dass auch die Qualität der meisten Apps nur mittelmäßig ist.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber die meisten Apps wirken so, als ob sie von technikbegeisterten Sportlern entwickelt wurden, ohne Gefühl für Stil und Ästhetik.
Für die Entwicklung einer App braucht es ein Mindestmaß an technischem Verständnis und Kenntnisse verschiedener Programmiersprachen. Ich hoffe, ich trete hier niemanden zu Nahe, wenn ich behaupte, dass Programmierer selten als Stilikonen bekannt sind. Viele Apps sehen (zumindest optisch) dementsprechend aus. Natürlich gibt es Ausnahmen. Hat man die erstmal gefunden, lässt sich die Uhr durch Apps, Widgets und Watchfaces weiter individualisieren.

Wer Lust auf ein ganz persönliches Ziffernblatt hat, kann auch auf Face-it von Garmin zurückgreifen. Diese App ist sowohl im App Store (Apple) als auch im Playstore (Google) erhältlich und ermöglicht dir, persönliche Bilder oder Logos als Hintergrundbildschirm einzustellen.
Fazit
Ist es ein schlechtes Zeichen, dass ich die Uhr kaum mehr ablege? Ich denke nicht. Es zeigt, dass mir die Uhr einen erheblichen Mehrwert, sowohl im Alltag als auch beim Sport, bietet. Wer sich an der Datensammelwut der Hersteller nicht stört, findet wohl kaum einen Grund, warum er sie nicht tragen sollte. An Größe und Gewicht gewöhnt man sich schnell. Die Optik, die Funktionsvielfalt, die vielen Anpassungsmöglichkeiten und die schier endlosen Einsatzmöglichkeiten machen diese Uhr zum perfekten Allrounder am Handgelenk. Bis auf einige Kleinigkeiten beim Krafttraining und den anfänglichen Konnektivitätsproblemen lief die Uhr bis dato anstandslos. Abstürze? – Fehlanzeige.

Lediglich der Preis lässt den Puls in die Höhe schnellen. Rund 700 Euro für eine Sportuhr sind nicht jedermanns Sache. Neben der „normalen“ Garmin Fenix 5, sowie der Garmin Forerunner 735XT gibt es noch unzählige weitere Alternativen. Eine davon, die Garmin Fenix 3, hatten wir bereits im Langzeittest. Wer also auf einige Features verzichten kann, findet mit Sicherheit die richtige Uhr für sich und seine Bedürfnisse. Eines steht jedoch fest: Keine Uhr liefert ein umfangreicheres Gesamtpaket.
Information: Die gezeigten Produkte wurden regulär erworben. Der hier dargestellte Inhalt gibt lediglich meine ganz persönliche Meinung wider.